Trump der Vorkämpfer vs. Obama der Visionär – Die Antrittsreden des 44. und 45. US-Präsidenten im Rhetorik-Vergleich
Vor gut zwei Wochen ist der 45. Präsident der USA, Donald John Trump, vereidigt worden. Derzeit lässt er seinen Worten mit aller Macht Taten folgen. Ich möchte mich jedoch in diesem Blogartikel mit den Worten, genauer gesagt mit der Rhetorik des aktuellen und des bisherigen US-Präsidenten beschäftigen. Dazu vergleiche ich die Rede Barack Obamas bei seiner Amtseinführung 2009 mit der von Donald Trump vom 20.01.2017.
Was sofort auffällt: Barack Obamas Rede ist länger. In der deutschen Übersetzung sind es knapp 1000 Worte mehr als bei seinem Nachfolger im Amt. Aber gerade beim Thema Reden und Rhetorik ist Quantität ja nicht immer gleich Qualität. Liest man beide Reden durch, wird deutlich wo Trump seine Worte sparte. Während Obama seine Rede und damit seine Präsidentschaft in einen historischen Kontext von amerikanischen Grundwerten und dem amerikanischen Traum einbettete, den er so ausgestaltete, dass er sich in Demut zu einem Teil von etwas Größerem stilisierte, verzichtete Trump auf diesen Kontext.
Trump als Vorkämpfer und Mann des Volkes
Stattdessen verliert der neue US-Präsident Trump weder unnötig Zeit noch Worte und legt stattdessen bereits innerhalb der ersten zehn Sätze den Finger in die Wunde indem er sagt: „Zu lange hat eine kleine Gruppe in der Hauptstadt unseres Landes von der Regierung profitiert, und das Volk hat die Kosten getragen. Washington blühte, aber das Volk hat nichts von dem Reichtum gehabt.“ So leitet Trump auch rhetorisch das Bild ein, dass ihn wahrscheinlich zum Präsidenten hat werden lassen. Er ist seiner Meinung nach, der Mann des Volkes, der den Kampf mit dem Establishment aufgenommen, geführt und nun gewonnen hat.
Er stellt sich als Vorkämpfer einer historischen Bewegung „wie sie die Welt noch nie zuvor gesehen hat“ dar und inszeniert sich als den obersten Demokraten in dem er die Macht dem Volk zurückgegeben habe. So gelingt es Trump auch seine Zielgruppe direkt anzusprechen und ihn zur Identifikationsfigur zu machen. In diesem Zusammenhang ist auch interessant was Trump nicht sagt: Zwar bedankt er sich bei den Obamas für Ihre gute Zusammenarbeit während der Übergabezeit, jedoch bedankt er sich nicht bei seinem Vorgänger für den geleisteten Dienst am Land.
Stattdessen redet Trump den Status Quo dramatisch schlecht. Schon im zweiten Satz seiner Rede spricht er davon, dass die Bürger das Land wiederaufbauen müssten und die Hoffnung für das ganze Volk wiederherstellen müssten. Diese Termini vermitteln bereits einen Eindruck, demzufolge das Land, wie nach einem Krieg, am Boden zerstört sei. Später verschärft Trump diesen Eindruck noch indem er von Familien spricht die „in Armut gefangen“ seien, von verrosteten Fabriken spricht, die „wie Grabsteine“ über die Landschaft verstreut lägen und erneut die ausufernde Kriminalität nennt. Dies alles zusammen nennt er dann das „Massaker Amerikas“ welches „hier und jetzt“ enden würde. Diese Bilder nutzen Trump in zweierlei Hinsicht: erstens fühlt sich seine Hauptzielgruppe verstanden und zweitens kann er sich erneut als heldenhafter Retter des Volkes inszenieren.
Wertewandel
Ein weiteres Zitat aus der Rede markiert nicht weniger als den völligen Wertewandel der US-Politik. Trump sagte: „Im Zentrum dieser Bewegung steht die entscheidende Überzeugung, dass die Nation da ist, um Ihren Bürgern zu dienen.“ Sicher ist dieser Satz nicht komplett falsch, dennoch möchte man fragen was aus dem Satz John F. Kennedys wurde: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann. Frage lieber, was du für dein Land tun kannst.“ Trump nutzt den oben zitierten Satz, um das eingangs gezeichnete Bild von sich dahingehend weiterzuzeichnen, dass er nun derjenige ist, der dem Volk wirklich dient.
Obamas Rede hingegen versteht sich im Duktus der traditionellen amerikanischen Werte. So gelingt es ihm auch aufzuzeigen, dass er und die Amerikaner Teil von etwas Größerem -der Nation- sind. Er betont nicht nur die harte Arbeit und die harten Kämpfe, die Generationen vor Ihm bewältigen mussten, sondern verweist darauf, dass selbst in diesen schwierigsten Zeiten die traditionellen Werte hochgehalten wurden und das Ende zum Besseren gemacht haben. So versteht er auch seine Präsidentschaft als Reise auf einem Weg, den er fortsetzen wollte. Allerdings in einer neuen Zeit, mit neuen Methoden, aber alten Werten. Er wollte „Hoffnung über Angst, Einigkeit im Ziel über Konflikt und Zwietracht stellen. Rhetorisch sind diese Werte wichtig, da Ihnen beinahe jeder Amerikaner zustimmen kann. Zudem spielt Obama nahezu poetisch mit Metaphern und sprachlichen Bildern.
Gemeinsame Ziele – Unterschiedliche Wege
Beide Präsidenten haben also mit sehr unterschiedlichen Strategien versucht Ihre Zielgruppe anzusprechen. Und bei allen genannten Unterschieden: Die Ziele von Obama und Trump ähneln sich durchaus. Beide versprechen Jobs zu schaffen, beide wollen Straßen und Brücken bauen und beide sprechen das Bildungssystem an. Auch die Einigkeit des amerikanischen Volkes sehen beide als Stärke an, wenn Sie denn gegeben ist. Doch der Weg zu den von beiden formulierten Zielen hätte unterschiedlicher nicht gesehen werden können. Während Obama die Werte der amerikanischen Nation hochhält und vor allem in der Vielfalt, der Versöhnung und Verbesserung der Bedingungen auch in anderen Ländern das Heil sieht, besinnt sich Trump auf den bereits vielzitierten Protektionismus als einzig logische Schlussfolgerung aus seinen vorigen Überlegungen, die er unter anderem mittels Emphasen (also starken Betonungen durch Wiederholungen wie z.B. „Billionen und Aberbillionen“) untermauert. Zitat Trump: „„Wir haben Billionen und Aberbillionen von Dollar im Ausland ausgegeben, während die amerikanische Infrastruktur zerfallen ist.“
In Obamas Rede war die Außenpolitik der entscheidende Punkt. In Trumps Rede ist sie eine Randnotiz, die frei nach dem Spontispruch „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht“ verstanden werden kann.
Auch die sprachlichen Mittel unterscheiden sich deutlich in den Reden. Am deutlichsten wird der Unterschied in der politischen Orientierung jedoch in den Statements zum Umgang mit dem islamischen Terrorismus bzw. mit der islamischen Welt. Während Obama die Hand reichte, wenn die islamische Welt bereit sei ihre Faust zu öffnen und sich darauf verlässt das Aufbau besser ist als Zerstörung, bezieht sich Trump ausschließlich auf den islamischen Terror und will ihn vom Erdboden auslöschen. Diese Formulierung muss man sicher auch im historischen Kontext betrachten, da Obama 2009 sich noch nicht mit dem außerordentlich brutalen, so genannten islamischen Staat auseinandersetzen musste.
Wer ist der bessere Rhetoriker?
Doch wer hielt nun die bessere Rede? Nun dieses Urteil wird je nach Fokus des Rezipienten unterschiedlich ausfallen. Stellt man den sprachlichen Anspruch in den Vordergrund so hat wohl Obama die Nase vorn. Bezüglich der Verständlichkeit ist sicherlich Trump der Mann der deutlicheren Worte. Fakt ist: Jede Rede hat ihre Zeit, ihren Ort, ihre Zielgruppe. Und jeder US-Präsident hat es verstanden durch Reden mehr oder weniger zu überzeugen.
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